Information 01/18
Bürgerkomitee 15. Januar. e.V. fordert Dialog und kritische Überarbeitung des Abgeordnetenhauskonzeptes zum ehemaligen Stasi-Gelände
Stellungnahme des Bürgerkomitee 15. Januar e.V.
1.1.2018
Dem Vorschlag auf Initiative der Koalitionsfraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus fehlt eine Gesamtidee für das ehemalige Stasigelände und es mangelt an Beteiligung der angestammten Initiativen/ Opferverbände und einer breiten Bürgerbeteiligung.
Dies kritisiert der Verein 15. Januar e.V. an einer Beschlussvorlage zum ehemaligen Stasi-Gelände, die derzeit unter den Abgeordneten der Berliner Koalition abgestimmt wird.
Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass sich die Regierungskoalition der Verantwortung zur Gestaltung des Geländes stellt.
Der Vorschlag beschäftigt sich jedoch offenbar nur mit dem Kernbereich des ehemaligen Stasi-Komplexes, der einst viel größer war. Dieser Bereich mit hunderten Büros in der Nähe des Dienstsitzes des Ministers für Staatssicherheit (dem sogenannten Haus 1) war der Ort der Bürokraten und Technokraten der Überwachung und Repression. Die Orte des Leidens der Betroffenen liegen außerhalb dieses Kernbereiches, genauer: rund um den Roedelius Platz, wo sich die Untersuchungshaftanstalt II, das Stadtbezirksgericht, das Gründungsgebäude der Staatssicherheit und in den ersten Nachkriegsjahren Einrichtungen der sowjetischen Repressionsorgane befanden. Dies berücksichtigt der Vorschlag in keiner Weise.
Das ehemalige Stasi-Gelände ging im Norden viel weiter, bis an die Gotlinde/Bornitzstraße und im Osten bis zur Alfred-Straße. Sicher will keiner dieses Gesamtareal unter Denkmalschutz stellen, aber gefordert ist ein b e w u s s t e r Umgang mit dieser Hinterlassenschaft. Bisher ist nicht nachvollziehbar, was eigentlich mit dem Gelände an Aussagen „rübergebracht“ werden soll. Unseres Erachtens zeichnet sich das MfS dadurch aus, dass es, gemessen an der Bevölkerung, einer der größten Geheimdienste in den kommunistischen Ländern war, der sich mehr als andere in das Leben der Bürger hineingedrängt hatte.
Die Beschlussvorlage spart das Thema Denkmalschutz aus. Auf dem Gelände sind bereits wertvolle Sachzeugen verschwunden. So ist das berühmte Haupttor in der Ruschestraße, das am 15. Januar 1990 im Zuge einer Demonstration geöffnet wurde, entfernt worden. Andere Sachzeugen wurden wegsaniert. Als erstes müsste eine Bestandsaufnahme vor Ort erfolgen, bevor das Konzept weiterentwickelt wird.
Das Areal ist insgesamt sicher zu groß um es zu musealisieren. Auch für eine komplette Nutzung als Gedenk-, Archiv- und Bildungskomplex wird es keine ausreichenden finanziellen Mittel geben. Es ist auch fraglich, ob dadurch nicht nur eine neue Monokultur entstehen würde. Das Gelände sollte vielmehr in die Gesellschaft zurückgeholt werden. Auch der Bedarf an Wohnraum, Infrastruktureinrichtungen und Gewerberaumbedarf in der Stadt ist zu berücksichtigen. Dieser auch städtebauliche Zielkonflikt wird in der Koalitionsvorlage nicht einmal angesprochen - geschweige, dass bisher eine Lösung auf dem Tisch liegt.
Kritisch zu sehen ist auch der Vorschlag, die U-Bahnstation in Campus umzubenennen. Der Name Magdalenenstrasse ist nicht nur der traditionell angestammte Name, sondern war zu DDR-Zeiten auch in Lang und Kurzform („Magdalena“) Synonym für die Staatssicherheit. Es ist fragwürdig diesen Namen gänzlich zu tilgen und durch Umbenennung zu enthistorisieren.
Der Beschluss vergisst, die angestammten Aufarbeitungsvereine überhaupt zu erwähnen, die seit dem 15. Januar 1990 die Aufarbeitung auf dem Gelände lebendig gehalten haben und die laut Gedenkstättenkonzept des Bundes an der weiteren Ausgestaltung mitwirken sollen. Mit einer Neuauflage des Erstürmungs-Mythos wird der Beitrag der Bürgerproteste und Bürgerkomitees aus den Regionen der DDR bei der Kapitulation des DDR-Geheimdienstes und der Regierung Modrow in dieser Frage übergangen. Bisher hat es keine Gespräche der Regierungsfraktionen und des Senates mit den Aufarbeitungsinitiativen zu diesem Thema gegeben.
Das ehemalige Stasigelände liegt im Fördergebiet Nord von Lichtenberg, der Kern ist sogar förmliches Sanierungsgebiet. Das macht die Bürgermitwirkung zwingend erforderlich, die in dem Papier mit keinem Wort erwähnt wird.
In dem Paper werden die DDR-Bürger, die sich 1990 für die Stasi-Auflösung und die Öffnung der Stasi-Akten als „Aktivisten“ bezeichnet. Dies ist ein Terminus, der mehr zur Massenarbeit der SED als zum zivilgesellschaftlichen Engagement passt - oder soll Wolf Biermann, der damals am Hungerstreik beteiligt war, jetzt als "Aktivist " der Aufarbeitung ausgezeichnet werden?
Bisher haben im Rahmen einer Standortkonferenz nur Gespräche von staatlichen Institutionen hinter verschlossenen Türen stattgefunden. Die Ergebnisse wurden nicht vollständig öffentlich zugänglich gemacht. Bei einem derartige Vorgehen besteht die Gefahr, dass durch Verwaltungsabsprachen ein Gebäude-Monopoly in Gang kommt, dass unreflektiert in die angestammte Bausubstanz eingreift und das Gelände auf eine Art verändert, die einer intelligenten Nutzung in der Zukunft entgegensteht.