Chronik und Arbeit des Aufarbeitungsvereins Bürgerkomitee 15. Januar e.V.

Stand 2023

Gründung 2021 als Aufarbeitungsverein in der Tradition der Stasi-Auflösung und –Aufarbeitung. Mitglieder sind Bürger, die an der Stasi-Auflösung 1989/90 beteiligt waren, aber auch Historiker und andere Interessierte und Engagierte- keineswegs nur aus der DDR. Der Verein hat seinen Sitz auf dem ehemaligen Gelände des Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin-Lichtenberg. Erster Vorsitzender der 2023 verstorbene ehemalige Stasi-Auflöser Hans Schwenke.

Foto: Hans Schwenke, erster Vorsitzender

Link: Satzung und Aufgaben des Vereins:

 

Aufarbeitungszeitschrift "Horch und Guck"

1992-2013

Das sichtbarste Engagement des Vereins- auch deutlich über Berlin hinaus- bestand in der Herausgabe der Aufarbeitungszeitschrift „Horch und Guck“, so benannt, nach dem Spitznamen der DDR-Bürger für den Überwachungsapparat der Staatssicherheit. „Horch und Guck“ erschien bis 2014 als gebundenes Heft meist vier mal im Jahr und war vor allem in den Anfangsjahren ein wichtiges Medium der Information und Selbstverständigung von Personen, die sich in der DDR- und Stasi-Aufarbeitung engagierten. Leser und Autoren setzten sich einerseits aus Laien zusammen, die sich im Zuge der Stasi-Auflösung in die Arbeitsweise und die Geschichte des MfS eingearbeitet hatten und daher teilweise eine hohe Expertise hatten. Zum Anderen nutzten professionelle Historiker, Journalisten und Mitarbeiter von Gedenkstätten und Institutionen der politischen Bildung die Zeitschrift, um sich zu informieren und selber dort neue Erkenntnisse zu publizieren.

Foto: Horch und Guck i.A.

Link: Archiv Horch und Guck

Foto: Lesung zu "Horch und Guck", links Redakteur Peter Grimm, rechts: Vereins-Vorstand Reinhard Schult

Reaktivierung des Vereins

2016

Nach einer krisenhaften Phase wurde der Verein 2016 reaktiviert und legte neue Arbeitsschwerpunkte fest: Horch und Guck sollte nach Möglichkeit wiederbelebt werden; der Umbau der Stasi-Unterlagenbehörde sollte kritisch begleitet werden; die Entwicklung des ehemaligen Stasi-Geländes in Berlin-Lichtenberg sollte genauer analysiert und durch Expertisen, Veranstaltungen, Stellungnahmen vorangetrieben werden. Aktuelle Entwicklungen wie Corona und der Überfall Russland auf die Sowjetunion waren Anlass für weitere Aktivitäten, dann online.

Link zum Thema: Das Stasi- Puzzle. Warum es mit der elektronischen Rekonstruktion der Akten nicht voran geht.

Führungen am Stasigelände.

Regelmäßig führt der Verein Führungen im Außenbereich des Stasi-Geländes durch. Mit dem Thema „Stasi contra Kiez“ werden eine Einführung in die Entstehungs- Architektur- und Überwachungsgeschichte des MfS gegeben und aktuelle Entwicklungen erläutert. Vor allem Berlin-Besucher nutzen und schätzen dieses Angebot.

Foto: Führungen am Stasi-Gelände

Link: Führungen am Stasi-Gelände

Bunkerführungen

2019

Im Rahmen der Geländerecherchen machte der Verein auf die zwei Bunker auf dem Gelände  aufmerksam. Obwohl derartige unterirdische Gebäudeteile immer wieder großes öffentliches Interesse erregen und einen guten Anknüpfungspunkt für Aufarbeitungsinhalte abgeben, sind diese Schutzwerke bis heute nicht zugänglich. Das Bürgerkomitee besorgte Ausnahmegenehmigungen für die bisher einzigen Bunkerführungen, die auf breite Resonanz bei Medien und Publikum stießen.

Foto: Eingang zum zweistöckigen Bunker unter dem Stasi-Akten-Archiv in Berlin

Link: i.A.

Denkort am Stasigelände (Roedeliusplatz)

Auf Initiative des Vereins Bürgerkomitee 15. Januar e.V. wurden Expertisen zum Umfeld des ehemaligen Stasi-Geländes in Berlin in Berlin Lichtenberg, zu den Ursprüngen und der Entwicklung der Repressionszentrale der DDR verfasst. Diese erörterte ein im Rahmen eines beim Bezirk Lichtenberg durchgesetzten Runder Tische und entwickelte daraus Leitplanken für einen vom Verein seit 2018 geforderten Erinnerungsort. Nach einem künstlerischen Wettbewerb schuf mit sog. PMO-Mitteln (aus ehemaligem SED-Vermögen) der Bildhauer Roland Fuhrmann eine Skulptur  mit Erinnerungsbiographien und Zitaten, welche auf dem neu gestalteten Roedeliusplatz aufgestellt wurde. Anders als das Stasi-Gelände selbst, fokussiert der Denkort am Roedeliusplatz stärker auf die Leidtragenden der stalinistischen Nachkriegsbesatzung und der SED-Diktatur und ihrer Geheimpolizei.

Foto: Entwurf des Denkortes am Roedelius Platz am ehemaligen Stasi-Gelände

Link: i.A.

Link zur Berlin History App. i. A.

Sicherung von Objekten auf dem Stasi-Gelände

Bis heute finden sich interessante Relikte aus der Zeit des MfS auf dem Lichtenberger Gelände. Die Hausbezeichnungen ( von Haus 1, heute Stasi-Museum) sind z.T. noch dieselben, manchmal finden sich Originalschilder u.ä.. Die meisten Erinnerungsstücke im Außen- (und teilweise im Innenbereich) sind bis heute weder technisch noch rechtlich geschützt, worauf der Verein mehrfach hinwies. Der Verein sicherte mehrfach Gegenstände. Mit Hilfe von Nachbarn wurden Parkplatzsichtblenden geborgen, die die Privat-PKW der Stasi-Mitarbeiter vor Ausspähungen schützen sollten. Auch die Büroauskleidung aus Büros der Spionage-Chefs (HV A) wurde vor dem Abriss gesichert. Andere Verluste wie der sogenannte Kupferkessel, oder das Tor, was 1990 rund um die Welt Furore machte, konnten nicht aufgeklärt werden. Auf Initiative des Vereins wurde immerhin ein bauhistorisches Gutachten zum Gelände erstellt.

Foto: Chefetage der ehemaligen Stasi-Spionage in Berlin vor der Demontage 2020

Link zur Veranstaltung zum Bauhistorischen Gutachten für das Stasi-Gelände in Berlin Lichteberg.

Link zur Veranstaltung mit Prof. Axel Klausmeier zum ehemaligen Stasi-Gelände.

Aufarbeitung der Stasi-Auflösung

2019/20: Das Internetportal Stasibesetzung. de

Bis zu diesem Datum gab es keine regionale Zusammenschau der Stasiauflösung in der DDR 1989/90, obwohl dieses weltweit beispiellose Ereignis sich dezentral wie eine Kettenreaktion vollzog. Der Verein initiierte daher mit der befreundeten Gesellschaft für Zeitgeschichte e.V. in Erfurt das Portal Stasibesetzung.de. In Kooperation mit ehemaligen Stasiauflösern und Historikern in den früheren Bezirken der DDR wurde ein erstes Gesamtmosaik mit Texten, Videos , Fotos und Dokumenten zusammengestellt, was noch ergänzt werden kann.

Link: Stasibesetzung.de

Foto: Bürger drängten am 15. Januar auf das Stasi-Gelände in Berlin: hier lachende Gesichter beim Verlassen des Geländes

 

Audiowalk "Reden vs. Schweigen"

ab 2019

Um die Öffentlichkeit anders zum Thema Stasiüberwachung, Stasiauflösung , zu den Ambivalenzen der Aktenöffnung anzusprechen und zur Auseinandersetzung mit Aufarbeitungsfragen anzuregen, wurde auf Anregung des Vereins zusammen mit der freien Theatergruppe „Lunatiks“ im Jahr 2000 der ca. einstündige Audiowalk „Schweigen vs. Reden“ entwickelt und mehrfach am 15. Januar, dem Jahrestag der Großdemonstration von 1990 am MfS-Gelände.

Foto: Regisseurin Janett Mickan begleitet ihren Audiowalk am 15. Januar.

Link: zum Audiowalk "Reden vs. Schweigen"

Filme und Filmvorführungen

gehören immer wieder zum Repertoire des Vereins. „Fussball im Hinterhof der Stasi“ über den Verein Lichtenberg 47 e.V. nebst Ausstellung  von 2019 und „Dezemberstürme“ über die Besetzung der Stasi-Bezirksverwaltung in Frankfurt Oder von 2022 oder zur computergestützten Zusammensetzung von zerrissenen Stasi-Unterlagen waren Eigenproduktionen.

Link: Fussball im Hinterhof der Stasi

Link: Das Stasi-Puzzle.

Link: Putins Sieges Parade 9. Mai 2022. Satire.

Foto: ehemalige Stasi-Auflöser vom Neuen Forum in Frankfurt (Oder) beim Interview

Link. Dezemberstürme. Wie die Stasi in Frankfurt (Oder) aufgelöst wurde. i.A.
 

Zwei Filmserien gefassten sich mit historischen Filmaufnahmen zur Spionage  

im Film.

Link: Spießige Agenten: DDR-Spione und ihr damaliger Chef Markus Wolf feiern- auf ihre Art. i.A.

Foto: DDR-Spionage bei der Arbei

Veranstaltungen

Durch mehrere Publikumsveranstaltungen im Jahr, sollte an wichtige Aufarbeitungsthemen (z.B. Kriminalisierung von Ausreisewilligen im Jahr 1988, zur Haltung der Bundesregierung in der Stasifrage vor der Deutschen Einheit mit Dr. Wolfgang Schäuble) erinnert oder Denkanstöße zur Aufarbeitungsentwicklung gegeben werden. (Z.B. zur Abwicklung der Stasi-Unterlagenbehörde, Krise der Aufarbeitung mit der Bundesstiftung Aufarbeitung), mehrere zur Entwicklung des Stasigeländes und der historischen Bedeutung ihrer Bauwerke). Die Corona-Epidemie war Anstoß auch online-Formate anzubieten. (z.B. Interviews mit Prof. Jörg Baberowski und dem Militärexperten Gustav Gressel zum Ukraine-Krieg). Manche wie die Dampferfahrt in Erinnerung an den Ausflug der Bauarbeiter 1953, die in Berlin den Volksaufstand vom 17. Juni lostreten sollten, von 2023 zusammen mit der Berliner Geschichtswerkstatt und Kulturprojekte Berlin, wurden zum kleinen Event.

Fotos: Veranstaltungen mit Jörg Baberowski, Martin Sabrow, Helmut Müller-Enbergs, Wolfgang Wieland, Ulrich Battis, Christoph Links, Hannes Schwenger, den ehemaligen Westkorrespondenten Karl-Hinz Baum, Hartmut Jennerjahn, Hans Jürgen Börner, u.a. mehr....

Link: Veranstaltungen des Vereins

H-und-G.info (Heute und Gestern)

seit 2019: Aufarbeitungsforum im Internet

Als neues online-Format wurde seit 2019 das Aufarbeitungsforum H-und-G.info (Heute und Gestern) entwickelt. Es hatte sich gezeigt, dass die alte Zeitschrift Horch und Guck auch nach Übergabe an das Bürgerkomitee Leipzig in der alten Form (2014-2016) nicht mehr zu reaktivieren war. Die Mischung der Beiträge von qualifizierten Laien, Erfahrungsberichten und Artikel von professionellen Historikern und Aufarbeitern soll beibehalten werden, auch wenn es zeitbedingt Verschiebungen zu Letzteren gibt. H-und-G.info erscheint seit 2020 mit thematischen Schwerpunkten mehrfach im Jahr.  

Link: H-und-G.info

Foto: H-und-G.info-Schwerpunkt 22/4. Erinnern am authentischen Ort

Foto: H-und-G.info 23/1: Vor der Mauer- das alte Westberlin

Foto: H-und-G.info 2022/1: Putins schrecklicher Krieg