Das Stadtbezirksgericht zu DDR-Zeiten
Das Stadtbezirksgericht zu DDR-Zeiten
Zu DDR-Zeiten war diente dieses Gebäude am heutigen Roedelius Platz als unterstes Gericht für Lichtenberg. Damit war es auch für privaten, zivilrechtlichen und alle Strafsachen zuständig, die damals üblicherweise vor einem Kreisgericht, in Berlin Stadtbezirksgericht genannt, verhandelt wurden. Auch einfache Fälle der politischen Justiz, auch wegen Flucht oder Äußerungen gegen den Staat oder wegen energischen Ausreisewünschen u.ä. Vorwürfen, wurden hier in einzelnen Fällen verurteilt. Die viele hatten zuvor in Hohenschönhausen in der Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit, im Volksmund „Stasi“, gesessen oder vor dem Verfahren im Gefängnis hinter dem Gerichtsgebäude in der Magdalenen- bzw. Alfredstraße. Gegen Ende der DDR nahm die Zahl derer in Berlin, die allein vor diesem Stadtbezirksgericht verurteilt wurden, weil sie von der Stasi als „Feinde“ des SED-Staates angesehen wurden, immer mehr zu. Es waren einige dutzend im Jahr. Derartige politische Verfahren waren meist geheim und wurden vom Gerichtsdirektor persönlich geleitet, damit sie im Interesse der Staatspartei SED verliefen. Vor allem der letzte Direktor vor der friedlichen Revolution, Jürgen Wetzenstein-Ollenschläger, war für derartige Prozesse berüchtigt. Eines seiner bekanntesten Verfahren war die Verurteilung von Demonstranten, die 1988 mit Zitaten der Kommunistin Rosa Luxemburg die „Freiheit von Andersdenkenden“ auch für sich in Anspruch genommen hatten. Dieses Verfahren erregte schon großes öffentliches Interesse. Kritiker der Verhaftungen protestierten gegenüber dem Gerichtsgebäudes auf dem Kirchengelände der Glaubenskirche, westliche Journalisten berichteten. Einige Jahre zuvor wären derartige Proteste neben dem Stasi-Gelände noch undenkbar gewesen und hätten selbst zu Festnahmen geführt.
Das Gerichtsgebäude war noch in der Kaiserzeit gebaut, als Lichtenberg noch nicht zu Berlin gehörte und hier das neue Ortszentrum am damaligen Wagner Platz entstehen sollte. Nach 1920 fungierte es als Amtsgericht. Während der NS-Zeit wurden hier wohl auch Entscheidungen getroffen, die dazu dienten, Juden und andere verfolgte Minderheiten zu benachteiligen oder ungerechtfertigt zu bestrafen. Durch die sowjetische Besatzungsmacht wurde nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, hier eine neue Justiz etabliert, die auch im Dienst der Absicherung der neuen sozialistischen Ordnung stand.
Prominente Verurteilungen
Die Fernsehmoderatorin Edda Schönherz. Mehr..
Demonstranten vom Januar 1988 im Zusammenhang mit der Liebknecht/Luxemburg-Demonstration. Demnächst mehr...
politische Gerichtsurteile
Urteil 1972 wegen Republikflucht (§213 StGB/DDR). Mehr Fluchtversuch:
Ein 34-jähringer ehemaliger Mitarbeiter des Außenhandels wurde 1972 vor dem Stadtbezirksgericht Lichtenberg zu 3 Jahren Haft verurteilt. Er hatte im Jahr zuvor beschlossen, die DDR zu verlassen und sich in einem Zug versteckt, der von Sassnitz an der Ostsee mit einer Fähre nach Schweden übersetzen sollte. Dabei wurde er noch im DDR-Hafen festgenommen. Sein Verteidiger war Wolfgang Vogel mit seinem Sitzungsvertreter RA Bernhard. Da der Angeklagte gestanden hatte, sind zumindest im Urteil keine nennenswerten Aktivitäten des prominenten Anwaltes mit den guten Kontakten zum MfS nachweisbar. Dass der Angeklagte als SED-Mitglied und Außenhändler auch Geheimnisverpflichtet war, wurde ihm strafverschärfend angerechnet. Ankläger war Staatsanwältin Jahnke. Politisch motivierte Anklagen wurden auch auf Stadtbezirksebene durch Bezirksstaatsanwälte vertreten. Das Gericht bestand aus zwei Laienrichtern. Diese Schöffen wurden üblicherweise von der SED mitausgewählt und von der Stasi überprüft. Theoretisch konnten die zwei politisch ausgewählten sogar den Berufsrichter überstimmen. Dies war zum Zeitpunkt dieses Urteils der amtierende Gerichtsdirektor Ziegler.