Ausgekundschaftet in Warschau-Außenminister Genscher zu Besuch in Polen.
11. Juni 18.30 Uhr Berlin
Offiziell Versöhnung- inoffiziell nationale Interessenpolitik. Polnische Spionage gegen deutsche Außenpolitik
Im kommunistischen Polen war jeder Besuch eines ausländischen Politikers für die Geheimdienste von Interesse. Die Reise des deutschen Außenministers Hans-Dietrich Genscher im Januar 1988 nach Warschau bildete in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Die Nachrichtendienste und die Spionageabwehr des Innenministeriums hatten bereits Monate vor der Ankunft des Gastes Informationen über dessen Pläne und Absichten gesammelt. Sie schreckten nicht davor zurück, streng geheime Dokumente zu stehlen, die in der Bundesrepublik zur Vorbereitung diese Reise erstellt worden waren. Sie scheuten auch nicht davor zurück, später die Mitglieder der Delegation vor Ort in Warschau abzuhören.
Die Offenlegung neuer Akten, die im Institut des Nationalen Gedenkens archiviert sind, erlauben es der These über die angebliche operative Schwäche des Innenministeriums zu begegnen. Es zeigt sich an diesem Beispiel wie sehr der polnische Geheimdienst über Fähigkeiten verfügte, bundesdeutsche Behörden zu infiltrieren.
Zweitens zeigt der Verlauf der bilateralen Gespräche, dass sowohl die Mitglieder der letzten kommunistischen Regierung als auch das erste Kabinett der demokratischen Dritten Republik genau wussten, wie schwierig die neuen polnisch-deutschen Beziehungen sein würden und wie weit die Praxis der rücksichtslosen Wahrung nationaler Interessen von der 1989 offiziell erklärten Veränderung des Charakters der Beziehungen zur Bundesrepublik abweichen würde.
Genscher besuchte Warschau ein Jahr vor der Eröffnungssitzung des Runden Tisches, mehr als eineinhalb Jahre vor der symbolischen Heiligen Messe in Kreisau im November 1989, bei der es zu einem symbolischen Akt der Versöhnung zwischen Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki und Bundeskanzler Helmut Kohl kommen sollte. Dies war jedoch nur ein symbolischer Akt. Der Umschwung begann im Januar 1988 mit dem paradoxen Hinweis des polnischen Geheimdienstes, dass kein Durchbruch - außer Symbolen - zu erwarten sei.
Im Rahmen des Vortrags wird der Autor nicht nur darstellen, welches Material den polnischen Diensten in die Hände fiel und wie es die bilateralen Beziehungen analysierte. Er geht auch der Frage nach, inwieweit die Probleme in den bilateralen deutsch-polnischen Beziehungen nicht erst mit dem Machtwechsel in Polen im Jahr 2015 begannen sondern schon ein Vorgeschichte haben, die bis 1988 zurück reicht.
Vortrag und Diskussion mit Prof. Titus Jaskowski, Prof. für neuere Geschichte Zielona Góra
NN
Zielona Góra
Ehemaliges Stasigelände/Campus für Demokratie
Haus 7, 4.OG
Ruschestr. 103, 10365 Berlin
Veranstalter: Robert Havemann Gesellschaft/Bürgerkomitee 15. Januar e.V.