Information 05/16

Bürgerkomitee 15. Januar e.V. Berlin zur Personalie des designierten Staatssekretärs Andrej Holm

Stand 11.12.2016

Der von der Linkspartei als Staatssekretär designierte Andrej Holm sollte seine Biographie offenlegen und bis zur Prüfung seinen Posten nicht antreten.

Die in der Öffentlichkeit losgetretene Diskussion um die Vergangenheit des möglichen Staatssekretärs in der Senatsverwaltung für Wohnen und Stadtentwicklung ist verständlich. Die SED ist in der DDR nie durch freie Wahlen an die Macht gekommen, sondern konnte ihre Macht nur durch Repression sichern. Daher fällt es bis heute immer noch vielen Menschen schwer, überhaupt zu akzeptieren, dass eine Partei, wie die Linkspartei, in Berlin mitregiert, die in rechtlicher und teilweise personeller Kontinuität zur einsteigen SED-Staatspartei steht.

Dies gilt umso mehr, wenn Regierungspersonal präsentiert wird, das möglicherweise gerade an repressiven Praktiken beteiligt war. Dies wäre gerade den vielen, die in der SBZ und der DDR unter dem System gelitten haben, in ihren Rechten beschränkt wurden, berufliche Nachteile hinnehmen mussten oder sogar in Haft saßen, nicht zuzumuten!

Andererseits sollte die Diskussion mit Sachlichkeit geführt werden. Pauschalverurteilungen ganzer sozialer Gruppen gehören zur rhetorischen Klamottenkisten von Populisten. Heute, mehr als 25 Jahre nach dem Ende der DDR, müssen wir darauf achten, dass bei solchen Debatten nicht Maßstäbe über Bord geworfen werden, die unser Gesellschaftssystem auszeichnen. Die Umstände haben sich geändert, Menschen können sich ändern, es gibt ein gesellschaftliches Gebot, auch Resozialisierung zu ermöglichen.

Allein die Tatsache, dass ein Jugendlicher oder Heranwachsender, der von seinem Elternhaus entsprechend beeinflusst wurde, beim MfS-Wachregiment Feliks Dzierzynski seinen Wehrdienst ableistete, eignet sich heute nicht mehr als KO-Kriterium. Die Angehörigen des Wachregimentes leitesten damals zwar ihren Fahneneid nicht auf die Verfassung, sondern auf die Partei. Aber der Fahneneid von Polizeioffiziersschülern und Bereitschaftspolizei- und NVA-Wehrdienstleistenden war  nicht unähnlich, viele von diesen wurden sogar im Herbst 1989 bei Demonstrationen eingesetzt und sind dennoch heute in vielen Funktionen, wie auch bei der Polizei tätig. Allerdings war das Wachregiment grundsätzlich auch eine Bürgerkriegsreserve, die Mitglieder wurden als MfS-Kader geführt.

Einzelne Angehörige von „Feliks Dzierzynski“  hatten aber auch hervorgehobene ideologische Funktionen, beispielsweise im Soldatensender, oder wurden operativ (geheimpolizeilich) eingesetzt. Das Wachregiment wurde als Kaderreserve für das MfS angesehen und Stasigeneral Mielke versuchte hier junge, motivierte, hauptamtliche Mitarbeiter zu rekrutieren.

Es zählt also weniger die Frage, ob jemand beim Wachregiment war, sondern was er dort und danach getan hat. Dies ist bei Andrej Holm derzeit noch vollkommen unklar.

Auf der Gehaltsliste des MfS, dem sogenannten Finanzprojekt (Fipro), das im Internet kursiert, ist ein Andrej Holm mit einem atypisch niedrigem Gehalt aufgeführt. Als MfS-Dienststelle ist die Nummer 15;53;00 genannt. Diese steht für die Auswertungs- und Kontrollgruppe (AKG) der Bezirksverwaltung Berlin, die für die Überwachung der Ostberliner zuständig war. Die AGKs gehörten beim MfS üblicherweise zum Leitungsbereich und sollten dafür sorgen, dass die MfS-Diensteinheiten der Linie von Mielke und Honecker folgten. Sie waren zuständig dafür, Informationen, die bei der Überwachung der Bevölkerung anfielen, zu sammeln, zu speichern, zu Auskünften und Dossiers zusammenzustellen. Falls der in der Liste genannte Andrej Holm von der AGK zum Studium delegiert war, unterstand er nach den üblichen Regularien des MfS einem Vorgesetzten bei der delegierenden Diensteinheit und war angehalten über Auffälliges aus dem Studienalltag zu berichten.

Es stellen sich also durchaus Fragen, die vor der Ernennung Andrej Holms zum Staatssekretär in Berlin geklärt werden sollten. Ein Staatssekretärsposten ist eine hervorgehobene Vertrauensstellung und die Linkspartei und der Senat insgesamt wären gut beraten, das Vertrauen in den Senat als Ganzes nicht von vornherein auf Spiel zu setzen, wenn sie derartige Fragen nicht eindeutig klären.

 

Dr. Christian Booß, i.V. für den Vorstand