Eröffnung des Denkmals „Einschlüsse“ am Roedeliusplatz , am ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit.

Am 7. Oktober 2023 um 17 Uhr

Von Christian Booß (Aufarbeitungsverein Bürgerkomitee 15. Januar e.V.)

Es gilt das gesprochen Wort (Sperrfrist 7.10. 17 Uhr)

Wir NGOs eröffnen heute das Denkmal „Einschlüsse“ in  Erinnerung an massive Menschenrechtsverletzungen in Institutionen hier rund um den Roedeliusplatz von 1945-89.

Aus heutiger Sicher ist es ein Kleines Wunder, dass es uns NGOs gelungen ist, durch zivilgesellschaftlichen Engagement diesen Denkort  hier vis a vis der ehemaligen Stasizentrale, mitten im ehemaligen Wohngebiet von Stasi-Mitarbeitern durchzusetzen. 2017, als wir einen solchen Vorschlag machten, sah es nicht so aus, dass da jemand mitziehen würde.

Die Idee kam uns, als der Platz hier neu gestaltet werden sollte, so wie Sie ihn jetzt sehen, sicher schön mit großzügigeren Freifläche, mehr Grün, mehr Kinderspielgelegenheiten. Aber was uns störte, die 50 Jahre Geschichte der SBZ und DDR hier am Platz sollten Quasi getilgt werden: Obwohl hier am Platz  ein Herzstück der Repression gegen die Ostberliner, ja gesamte ostdeutsche Bevölkerung angesiedelt war. Hier sind von den sowjetischen Besatzungsorganen fasst 200 Personen zum Tode verurteilt, später von der Stasi tausende widerrechtlich festgehalten worden. Das sollte getilgt werden? Wir meinten nein.

Erst war man im Bezirk voll dagegen, hier an die dunkle Zeit des Platzes zu erinnern. Ein Artikel in der Welt, der die Geschichtsvergessenheit von Lichtenberg anprangerte, half. Erst kam Stadtrat Nuenthel von der CDU auf uns zu, dann Stadträtin Monteiro, SPD. Schließlich der damalige Bürgermeister Grunst von der Linkspartei. Ich möchte mich bei allen Drei dafür bedanken, ausdrücklich auch -selbst wenn das nicht jedem gefällt, bei den Politikern der Linkspartei, die uns unterstützt haben, wie z.B. auch der ehemalige Kultursenator Klaus Lederer.

Uns ist nämlich etwas gelungen, was in den letzten 34 Jahren selten oder fast nie gelungen ist. Wie haben nämlich letztlich ehemalige SED-Funktionäre, Historiker, Anlieger und ehemalige Opfer der SED-Diktatur an einem runden Tisch zusammengeführt. Nicht nur das. Wir haben sogar einen Konsens gefunden, der M.E. kein fauler Kompromiss ist, nichts unter den Teppich gekehrt hat. Und dennoch kamen wir zusammen. Und ich finde, das ist gut so. In Zeiten, wo der Demokratische Rechtstaat bei uns aber auch anderswo in der Welt in Bedrängnis ist, ist ein guter Konsens viel wert, jedenfalls mehr als ein schlechter Dissens. Und faktisch- das nebenbeigesagt, haben wir etwas hinbekommen, was seit Jahren gefordert wird, ein Denkmal für die Opfer des Kommunismus.

Den Durchbruch schaffte ausgerechnet ein Opfer, der sagte „Wir sind doch alle gegen Menschenrechtsverletzungen, egal wo und wann sie stattfinden oder stattfanden“. Wer wollte dem widersprechen? Das war Rainer Buchwald von der VOS, der auch hier in Lichtenberg wohnte. Leider ist er inzwischen verstorben. Hugo Diederich wird nachher kurz an ihn erinnern. Der Gedanke von Rainer findet sich in der Widmung der Tafel wieder.

Es war auch nicht deswegen nicht einfach mit diesem Ort, weil teilweise die Richtigen eingesperrt waren. Deutschland hat im September 39 einen Krieg mit der Welt angefangen. Und ohne diesen Krieg wäre die Rote Armee nicht nach Berlin gekommen, hätte es hier keine kommunistische Geheimpolizeien am Platz gegeben. Und wo es Kriegsverbrecher gab, gehörten die natürlich 1945 eingesperrt. Die Frage ist nur, mit welchen Methoden. Die stalinistischen Besatzungsorgane gaben ihnen keine fairen Verteidigungs- und Berufungsmöglichkeiten, die Verurteilungen waren oft, meist sogar überhart. Das ist eine kompliziertes Thema, wir haben Jörg Moree vom Museum Karlshorst gebeten, dazu hier einige Worte zu sagen. Wir fanden, selbst die Richtigen sind damals mit grob falschen Methoden belangt wurden, darüber muss man nachdenken. Wegen derart komplizierter Fragen ist dieses Denkmal hier auch als Denkort nicht einfach als Gedenkort konzipiert, um ein Nachdenken darüber anzuregen, wie es soweit kommen konnte, trotz eines im Grundsatz wohlmeinenden Antifaschismus. Je stärker sich nämlich die neue Nachkriegsordnung nach 1945 als Diktatur entwickelte, um so mehr wurden Unschuldige hier eingesperrt. Unser Verein hat zu diesen Unrechtshandlungen, die von sowjetischen und DDR-Institutionen ausgingen, vier Expertisen geschrieben, ich danke den vier Kollegen, die daran beteiligt waren. Sie haben Neues herausgefunden. Zum einen waren hier am Platz mehr Institutionen präsent als die Stasi. Zwei Gerichte, die auch politische Gegner verurteilten. Eine Kommandantur mit Haftkeller, zwei Polizeiinspektionen, eine mit Erich Mielke als Chef. Dann das sowjetische Militärgericht, das Tribunal, das hier in der Haftanstalt Magdalenenstraße tagte, das auch als Reisegericht in der DDR herumfuhr und bis 1955 mehrere hundert Todesstrafen verhängte. Mit diesem Wissen von heute, wäre der Saal wo das Gericht tagte, vielleicht heute eine Gedenkstätte und nicht Teil der Frauenhaftanstalt. Wir wussten es 1990 nicht besser.

Die Kollegen haben auch herausgefunden, dass die Stasihaftanstalt in Hohenschönhausen, ein Sperrbezirk, gar nicht ohne die Magdalenenstraße funktionieren konnte, weil dort keine Besucher hindurften und alle Besuchskontakte mit Anwälten, Verwandten und diplomatischen Vertretern hier stattfanden. Die Zahl der Insassen war also in beiden Gefängnissen erschreckend ähnlich hoch, nur die Verweildauer unterschiedlich. Und drittens, die Kollegen fanden heraus, dass hier in den 1980ern der zentrale Zuführungspunkt der Stasi war. Wenn Massenverhaftungen durchgeführt wurden, wie am 7. Und 8. Oktober, genau vor 34 Jahren, als Ostberliner für Veränderungen demonstrierten. Damals  wurden hunderte zusammengeprügelt und festgenommen. Ein Teil kam in Polizeigefängnisse, über 90 hier in die Magdalenenstraße. Das waren 24 oder 48 Stunden-Festnahmen, wie sie in den 1980er Jahren von der Stasi häufig praktiziert wurden, um Menschen einzuschüchtern. Frank Pfeiffer, der damals Proteste gegen den Wahlbetrug in der DDR organisierte, war im Sommer 89 hier inhaftiert und wird uns berichten. Der 7./.8 und die Proteste gegen diese Schikanen von Polizei und Stasi läuteten in Ostberllin die friedliche Revolution ein. Wir werden im Anschluss an diese Eröffnung in unseren Räumen Im Haus 1 auf dem Stasigelände bei einem get together noch ein paar kleine Filme dazu zeigen. Sie sind herzlich eingeladen.

Ärgerlich ist es, dass der Künstler, sich geweigert hat, in seiner Darstellung genau diese meist jüngeren Ostberliner zu würdigen, die sich in den 1980er Jahren im Interesse der Meinungsfreiheit mit der Staatsmacht anlegten und so Wegebereiter des friedlichen Wandels wurden. Bei der Auswahl der Haftbiographien hat Roland Fuhrmann diese Schicksale mit der Begründung weggelassen, er wolle nur Biographien berücksichtigen, die noch Bestand hätten, wenn das Thema Stasi aus dem Schulbuch verschwunden ist. Die Tatsache, das hier bei den 50 Biographien und Betroffenenzitaten im Denkmal diese Gruppe herausgefallen ist, hat uns geärgert, die Begründung noch mehr. Was wollte der Künstler damit sagen? Dass die Stasi aus dem Schulbuch gestrichen werden kann, weil sie eine Gurkentruppe und  nicht so schlimm war?  Uns hat auch geärgert, dass das Bezirksamt, das den Künstler beauftragt hat, ihm da nicht in die Parade gefahren ist und gesagt hat, so geht das nicht. Der Künstler hat damit nämlich die Intentionen des Runden Tisches verfälscht. Das hat auch nichts mit künstlerischen Freiheiten zu tun, er hat sich da über unsere Leilinien, die wir nach sorgfäliger Recherche in zwei Jahren diskutiert haben, einfach hinweggesetzt. Dieser Dissens ist auch der Grund, warum das Bezirksamt bis heute, seit immerhin einem dreiviertel Jahr, das Denkmal nicht offiziell eröffnet hat. Ein wohl einmaliger Vorgang in dieser an Schildbürgerstreichen so reichen Stadt. Dies ist auch der Grund, warum w i r das Denkmal heute eröffnen. Als Initiatoren sehen wir uns dadurch legitimiert. Wir haben den 7. Oktober auch bewusst gewählt, um gerade auch an die Gruppe der Repressierten zu erinnern, die der Künstler so gering geschätzt hat. Natürlich wollen wir darüber nicht die vielen anderen vergessen, die zu Unrecht hier zeitweise einsaßen, wie z.B. der tragische SED-Funktionär Walter Janka, Heinz Brandt und Karl-Wilhelm Fricke, die aus dem Westen von der Stasi entführt worden waren oder die vielen Christ- und Sozialdemokraten, Liberalen, Gewerkschafter und Studenten die man wegen vermeintlicher Spionage hart verurteilte, oft nur, weil sie ihren Freunden in Westberlin erzählten, was hier im Osten los ist. Die Gedenkstätten Hohenschönhausen wird in einigen Monaten ein Buch herausgeben, wo unsere Erkenntnisse und noch mehr genauer nachzulesen sind.

Ich möchte mich zum Abschluss noch einmal bei allen bedanken, die an diesen seit zeitaufwendigen Prozess vor allem am Runden Tisch mitgewirkt haben, auch den NGOS, die von Anfang an mit dabei waren, die UOKG und die VOS. Namentlich auch bei dem kundigen Rainer Klemke, der geduldig den Runden Tisch weiter moderierte, wenn es mal ruppelte, namentlich auch Herrn Graessel dem Präsidenten des Amtsgerichts, der uns seien Räume öffnete, und der Koptischen Gemeinde, die unser Anliegen freundlich unterstützte. Ich denke trotz gewisser Meinungsverschiedenheiten ist der künstlerische Entwurf, den eine Jury auswählte, letztlich sehr gelungen: Die 4 Hafttüren, die an die verschiedenen Institutionen am Platz erinnern und die 50 Linsen mit Zitaten und Minibiographien. Wir sehen täglich, wenn Menschen dort stehen bleiben, dass das Konzept im Grundsatz funktioniert. Die schweren Rechtsverletzungen werden nicht vergessen und ermahnen uns Menschenrechtsverletzungen entgegenzutreten, egal in welcher Form und wo sie in Erscheinung treten. Das „Wehret den Anfängen“, gilt für alle Menschenrechtsverletzungen, das war es, was uns Rainer Buchwald mit auf den Weg gegeben hat.