Rechnet der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, falsch?

Bundestagsvorlage zur Auflösung der Stasi-Unterlagenbehörde beruht auf falschen Voraussetzungen

-Der für kommende Woche geplante Beschluss sollte verschoben werden.

18. September 2019

 

Die Berechnungen, die als Grundlage für die Bundestagsvorlage für den 26. September zur Auflösung der Stasi-Unterlagenbehörde dienen, sind nicht belastbar. Dies geht aus Recherchen des Aufarbeitungsvereins Bürgerkomitees 15. Januar hervor. Der Verein fordert daher, den Bundestagbeschluss in der kommenden Woche auszusetzen. Nach der Vorlage der Jahn-Behörde ist es zwingend, 4-5 neue Archive zu bauen. Die Alternative, die Akten zu belassen, wo sie sind und die Archive nachzurüsten, wäre dagegen deutlich kostengünstiger. Diese Alternative wurde aber offenbar nie ernsthaft geprüft. Trotz enormer, bisher nicht bekannten Folgekosten, soll der Bundestag am 26.9. dem Abwicklungs- und Umbauprojekt zustimmen.

 

Der Vorstand der Aufarbeitungsvereins meint:

Wir raten insbesondere den Finanzexperten im Bundestag dringend, diese Beschlussvorlage anzuhalten und nicht im September zu verabschieden. Der Bundestag löst mit diesem Beschluss Folgekosten von mindestens 250 Mio Euro aus, ohne dass dies in der Beschlussvorlage offengelegt ist. Nach unseren Informationen kennen die Einbringer und die beteiligten Verwaltungen die genauen Folgekosten nicht einmal.“

 

Der Bundesbeauftragte hatte im März einen Vorschlag vorgelegt, die Akten ins Bundesarchiv zu überführen, ansonsten seien die Akten am jetztigen Standort in der Substanz gefährdet. Außerdem sollen den meisten der noch 12 Aussenstellen in Ostdeutschland die Akten weggenommen werden, um sie in 4 oder 5 neu zu bauenden Landesarchiven zusammenzufassen.

 

Gegen diesen Plan haben sich dutzende von ehemalige Bürgerrechtler und in der Aufarbeitungs Engagierte, darunter Marianne Birthler, Werner Schulz, Hildigung Neubert, Rolf Schwanitz u.a. gewendet. http://buergerkomitee1501berlin.de/abwicklung-der-stasiunterlagenbehoerde/geschichte-laesst-sich-nicht-abwickeln/

 

Wie dem Aufarbeitungsverein jetzt bekannt wurde, hat es der Bundesbeauftragte versäumt, die Außenstellen bei der Sanierung klimatisieren zu lassen, wie dies Standard für größere Archive ist. Die meisten dieser Standorte ließen sich aber selbst heute noch deutlich kostengünstiger sanieren. Nach Eigenrecherchen auf Basis von Firmenangeboten würde die Klimatisierung eines der größeren Außenstellen-Archive ca. 350.000 €uro kosten. Die Zusammenlegung von 2-3 Außenstellen würde demgegenüber 20-30 Millionen kosten, also überschlägig mehr als das 20-fache.1 Dies geht aus einer Untersuchung von Unternehmensberatern im Auftrag des BStU vor, die den Landesstasibeauftragten vor einiger Zeit vorgelegt wurde. Derartige Kostenabwägungen sind offenbar im BStU nie vorgenommen worden. Auch eine Machbarkeitsstudie, die derzeit in Planung ist, sieht keine grundsätzliche Gegenüberstellung von Nachrüsgung der alten Standorte gegenüber neuen vor.

 

Zusätzlich zu den 4-5 Landesarchiven ist geplant, ein Megamagazin für DDR-Akten in Berlin Lichtenberg zu errichten, was mindestens 100 Mio € kosten würde. Auch für dieses Projekt gibt es keine genauen Berechnungen. Dennoch soll der deutsche Bundestag Ende September, in der zweiten Sitzungswoche, in einem Entschließungsantrag das im Wesentlichen vom Kulturausschuss übernommene Jahn-Konzept zustimmen.

 

Eine haushaltsrechtslich gebotene Abwägung von günstigeren Varianten hat nach unseren Informationen nie ernsthaft stattgefunden. Wir appellieren an den Bundestag, das Projekt anzuhalten und unter breiter Beteiligung grundsätzlich neu zu beraten.“